Hallo Welt-Verbesserer.
In der Transformation vom klassischen hin zum agilen Unternehmen erwartet uns immer wieder die Herausforderung, wie wir althergebrachte, akzeptierte Methoden und Prozesse in die neue agile Welt übertragen können.
Natürlich kann ein Unternehmen nicht mal eben den Schalter umlegen und von klassisch auf agil umstellen. Schließlich sind hier Menschen – Individuen – beteiligt, die sich eben nicht einfach umschalten lassen bzw. das nicht können oder wollen.
Das klassische Mitarbeitergespräch
Ein Beispiel einer solchen etablierten Methodik ist das Mitarbeitergespräch. Dabei handelt es sich in aller Regel um ein Mitarbeiterbeurteilungsgespräch, bei dem die Führungskraft des Mitarbeiters dessen Leistung beurteilt.
Dabei werden typischerweise neben den Leistungen auch die Kompetenzen des Mitarbeiters einmal pro Jahr bewertet und Maßnahmen für die Entwicklung formuliert.
Es werden (möglichst SMARTe) Ziele einmalig festgelegt und erst in einem Jahr wieder angeschaut und bewertet, wie hoch der Erreichungsgrad war.
Was aber genau bringen diese Gespräche? Sicher, um den Status Quo festzustellen und Entwicklungspotenzial aufzudecken sind Gespräche zwischen dem Mitarbeiter und der Führungskraft sinnvoll und nützlich. In der Praxis sieht es aber doch eher so aus, dass die Führungskraft froh ist, wenn die Gespräche vorüber sind. Sie muss so viele Gespräche in so kurzer Zeit führen, dass sie meist kaum die Gelegenheit hat, sich richtig darauf vorzubereiten. Das Gespräch von vor zwölf Monaten ist an dieser Stelle vielen nicht mehr präsent.
Die Personalabteilung ist meist froh, wenn die Gespräche vorbei sind, dann müssen sie den Führungskräften nämlich nicht ständig hinterherlaufen und darum bitten, doch endlich ihre Gespräche zu führen.
Zu allem Überfluss haben sich die Mitarbeiter damit abgefunden, dass sie da eben einfach einmal im Jahr „durch müssen“. Mit etwas Glück gibt es mehr Geld oder Urlaub oder einen kleinen Bonus für Leistungen, an die sich keiner mehr so recht erinnert. Die neuen Ziele sind meist nach ein bis zwei Monaten entweder erledigt oder überflüssig geworden.
Sicher trifft diese Darstellung nicht auf alle Mitarbeitergespräche in allen Facetten zu. Wer aber ehrlich zu sich und seinen Prozessen ist, wird einen wahren Kern an den Aussagen finden.
Was fehlt?
Wenn einmal im Jahr die Bewertung der Kompetenzen erfolgt und entsprechende Maßnahmen zur Entwicklung festgelegt werden, reicht es nicht, diese in einem Jahr noch einmal anzuschauen um festzustellen: das war es nicht.
Auch bei den Zielen ist es wichtig, diese nicht einmal im Jahr zu prüfen. Ziele ändern sich ständig, weil sich auch unser Umfeld ständig ändert. Ein Ziel, das am Jahresanfang noch total sinnvoll war, kann in der Jahresmitte vollkommen sinnlos werden.
Viel wichtiger ist es, die Maßnahmen und Ziele aktiv zu verfolgen und regelmäßig den Fortschritt und den Erfolg zu prüfen. Insbesondere die Ziele müssen regelmäßig hinterfragt und ggf. neu ausgerichtet oder verworfen werden, wenn sich die Rahmenbedingungen geändert haben.
Das Wichtigste ist aber, dass die Mitarbeitergespräche wertvolle und fördernde Gespräche sind. Beide Teilnehmer sollten sich gut darauf vorbereiten und wertschätzend miteinander umgehen. Bei Mitarbeitergesprächen im Akkord ist das nur schwer zu erreichen.
Wie geht es besser?
Probleme erkennen und aufzeigen ist sicherlich gut, aber was nun? Wie können wir diesen Problemen begegnen? Wie kommen wir zu besseren Mitarbeitergesprächen?
Zum einen ist es hilfreich, die Mitarbeitergespräche zu entzerren. Lieber regelmäßige kurze Gespräche (monatlich oder zweimonatlich), statt ein großes, anstrengendes. Dabei stehen dann die Überwachung und Bewertung der Ziele sowie das Coaching des Mitarbeiters und die aktive Entwicklung seiner Kompetenzen im Vordergrund.
Die Vorbereitung auf diese Gespräche ist weniger zeitintensiv und aufgrund des wesentlich kürzeren Betrachtungszeitraums (1 oder 2, statt 12 Monate) auch wesentlich fokussierter und damit besser.
Zum anderen stellt sich die Frage, in wie weit die Führungskraft tatsächlich die Beurteilung der Leistung und – noch mehr – der Kompetenz eines Mitarbeiters durchführen kann. Häufig ist die Zusammenarbeit zwischen der Führungskraft und dem Mitarbeiter nicht so eng, dass die Beurteilung wirklich fundiert stattfinden kann.
Viel besser wäre hier doch, wenn die Kollegen, mit dem der Mitarbeiter eng zusammenarbeiten, die Bewertung der Leistung und der Kompetenzen vornehmen. Diese 360°-Beurteilung der Kompetenzen führt zu realistischeren Ergebnissen – die Kollegen wissen es viel besser als die Führungskraft.
Probleme
Insbesondere die 360°-Beurteilung der Kompetenz bedarf einer weit fortgeschrittenen Feedbackkultur im Unternehmen. Offener Umgang mit Schwächen und dem gemeinsamen Ziel besser zu werden, müssen fester Bestandteil der Kultur sein.
Ich mache mal ein Beispiel, welches ich selbst erlebt habe.
Es geht um die Bewertung der Kompetenz Projektmanagement auf einer Skala von 1 – 4 Sternen.
Bewertung: 2/4 Sterne
- Empfinden beim Bewerteten:
- Der hat mich schlecht bewertet!
- Was mein Chef wohl davon halten wird, dass ich so schlecht bewertet wurde?
- Was der Bewerter meinte:
- Sie ist schon gut, macht vieles richtig und ist sehr engagiert.
- Ihr fehlt an manchen Stellen noch ein wenig methodische Sicherheit
- Sie wird sicher mal sehr gut im Projektmanagement sein, wenn sie dranbleibt
Zum Glück ließ sich dieser – zunächst lodernde – Konflikt aufgrund der offenen Feedbackkultur in unserem Unternehmen sehr schnell in einem Gespräch auflösen.
Ein weiteres Problem ist in diesem Zusammenhang natürlich fehlende Offenheit und Ehrlichkeit. Absprachen álá „Bewertest du mich gut, bewerte ich dich gut.“ sind Gift für ein solches System. Damit werden Probleme versteckt und echte Stärken verschleiert.
Hier hilft nur ein gutes Vertrauensverhältnis im Unternehmen – und zwar über alle Hierarchieebenen hinweg.
Lösungsansätze
Die Schlechte Nachricht vorweg: es gibt keine ultimative Lösung um vom klassischen zum agilen Mitarbeitergespräch zu kommen. Vielmehr ist es wichtig, eine Standortbestimmung des Unternehmens, des Team / der Abteilung durchzuführen um zu schauen, wie offen die Gespräche und die Beurteilungen durchgeführt werden können.
Fühlen sich die Mitarbeiter vertrauensvoll aufgehoben und mit wertschätzendem Feedback in einer Kultur der ständigen Verbesserung wohl, ist der Schritt zu dieser offenen Bewertung ein kleiner. Ist es aber an der Tagesordnung, dass man als Mitarbeiter versucht gut dazustehen, statt sich offen und ehrlich verbessern zu wollen, sollte auf ein 360°-Feedback verzichtet werden.
Das Wichtigste ist, dass die Veränderung in kleinen Schritten erfolgen muss. Der jeweils nächste Schritt ergibt sich aus der aktuellen Situation, dem Vertrauensverhältnis und dem angestrebten Ziel.
Für alle Schritte hin zu einem agilen Miteinander – und das gilt nicht nur für Mitarbeitergespräche – ist eine gute, aktiv gelebte Feedbackkultur die Basis.
Die einfachen Veränderungen sind die Änderungen im Prozess, etwa die regelmäßigen Gespräche. In diesen kann dann die Basis aufgebaut und weitere Schritte festgelegt und dann gegangen werden.
Fazit
Wir sind davon überzeugt, dass eine offene und ehrliche Feedbackkultur mit dem Ziel der ständigen Verbesserung ein Segen für jeden Mitarbeiter und jede Führungskraft ist. In einem solchen Klima ist die Arbeit viel spaßiger und das Miteinander sehr angenehm.
Das beste Mitarbeitergespräch ist aus unserer Sicht dasjenige, an dem das ganze Team mit mir an einem Tisch sitzt und ein Feedbackgespräch mit mir führt. Die Führungskraft ist dabei gar nicht anwesend und lässt sich hinterher ggf. über das Ergebnis in Kenntnis setzen. Durch dieses offene Feedback an mich erhalte ich viele Ansatzpunkte um mich weiterzuentwickeln, falls ich dies möchte. Aber warum sollte ich auf der Stelle stehen bleiben, wenn die Arbeit mir Spaß macht? In diesem Szenario ist die Führungskraft übrigens mein Coach, der meine persönliche Weiterentwicklung aktiv unterstützt.
Wie sollte ein Mitarbeitergespräch sein, um für euch den größten Nutzen zu bringen?
Eure agilen Spaß-Coder.
Spannend! Wir sind zwar seit einer Weile „agil“, versuchen aber gerade auch, ein gutes und sinnvolles Format für „Mitarbeitergespräche“ zu finden. Der Artikel hat ein paar Denkanstöße gegeben. Besten Dank dafür!
Sehr gerne, schön zu hören, dass er euch bei der Lösungsfindung unterstützt.